Autor Robert Mucha im Interview zu seinem Buch Rätselhafte Offenbarung

Dr. Robert Mucha, Autor des bei uns erschienenen Buches "Rätselhafte Offenbarung", sprach mit unserem Lektor darüber, was ihn an der Apokalypse fasziniert, was das Wort "Apokalypse" eigentlich bedeutet und über vieles mehr.


Lektor: Herr Dr. Mucha, im März erscheint Ihr Buch „Rätselhafte Offenbarung. Das schwierigste Buch der Bibel entschlüsselt“ in unserem Verlag Katholisches Bibelwerk. Was fasziniert Sie an der Apokalypse?

Robert Mucha: Ich kann mir vorstellen, dass es das gleiche ist, wie bei den meisten anderen auch: Die Undurchsichtigkeit, das Mysteriöse und nicht gleich Fassbare, das sich hinter dieser Schrift verbirgt. Es ist ja so, dass niemand von uns wirklich weiß, was die Zukunft bringen wird, doch wir alle haben vage Vorstellungen oder Befürchtungen, was sein könnte. Die Bibel schenkt uns in dieser Schrift viele Bilder – diese aber aus dem historischen Umfeld des 1. Jahrhunderts nach Christus ins heute zu übersetzen ist schon etwas Arbeit.

Lektor: Eine Arbeit, die Sie nicht gescheut haben. Was bedeutet Apokalypse eigentlich?

Robert Mucha: Das griechische Wort „apokalypsis“ bedeutet eigentlich „Enthüllung“ oder eben „Offenbarung“. „Enthüllung“ sollte man nicht im Sinne von Enthüllungsjournalismus verstehen, sondern eher im Duktus eines „klaren Sehens“. Der Seher Johannes sieht die Zukunft klar vor sich und zugleich verzerrt und verschwommen, wie es manchmal bei Traumsequenzen in Filmen erscheint. Diese verzerrten und verformten Bilder schreibt er auf und sie sind offen zur Deutung bis in unsere Zeit hinein.

Lektor: Und was will er damit sagen?

Robert Mucha: Der Seher will zum Ausdruck bringen, wie sich ihm von Gott her die Zukunft erschließt. Und da sieht er neben Meteoritenhagel und Monsterheuschrecken auch einen Heilsraum und ein ewiges „bei Gott sein“. Es sind gewaltige und furchteinflößende, aber auch gerechtigkeitsstiftende und Mut machende Passagen, die wir lesen können.

Lektor: Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie sich für die Johannesapokalypse begeistert haben?

Robert Mucha: Die Bibel war seit meinem Theologiestudium in Paderborn, Jerusalem und München immer meine feste Begleiterin. In der Bibel erkenne ich die Urkunde der Kommunikation zwischen Gott und Mensch und den Erfahrungsschatz von rund 1000 Jahren Menschheitsgeschichte, die darin enthalten sind. Die Johannesapokalypse hat mich dabei schon immer fasziniert und ich wollte diese surrealen Bilder von Grund auf verstehen lernen. Vor allem das apokalyptische Tier in Offenbarung 13, das mir auch in zahlreichen Horrorfilmen immer wieder begegnete, wollte ich verstehen und habe darin lustigerweise auch mein Promotionsthema gefunden. Ich habe die Forschungserkenntnisse von damals auch in verständlicher Form in das nun vorliegende Buch einzuarbeiten versucht und hoffe, dass auf diese Weise viele Menschen Freude an der Bibel finden.

Lektor: Nun erscheint dieses Buch in einer globalen Pandemie – ein Zufall?

Robert Mucha: Sicher nicht ganz, denn in der Coronapandemie ist deutlich geworden, dass wir Menschen in einem empfindlichen Zusammenspiel kleinster Dinge funktionieren. Wirtschaftskreisläufe und private wie berufliche Begegnungen waren auf der ganzen Welt erschüttert durch kleine Viren, die in kürzester Zeit alles verändert haben. Der Klimawandel steht uns noch mit seiner ganzen Schlagkraft bevor und wir erleben neuerdings etwa durch den Sturm auf das Kapitol in Washington politische Instabilität – und das bei einer Atommacht. Das weckt Befürchtungen und in eine nicht vergleichbare aber im Grundduktus ähnliche „Angstlage“ spricht die Johannesapokalypse hinein. Ich habe das Buch im Lockdown geschrieben: Es war eine Zeit, an der an meiner Arbeitsstelle, der Münchner Volkshochschule, viel umzuorganisieren war. Die Arbeit am Buch hat mich inhaltlich auch ein wenig in einer Ordnung leben lassen, die faktisch so kaum noch möglich und da war. Und dennoch bin ich froh, dass ich die wenige Freizeit, dafür nutzen konnte und diese Frucht des ersten Lockdowns nun als Hoffnungsanreiz für den gegenwärtigen zweiten Lockdown vorlegen kann.

Lektor:  Aber wie kann Ihr Buch den Leserinnen und Lesern konkret weiterhelfen?

Robert Mucha: Ich bin der festen Überzeugung, dass es einen Unterschied macht, ob man auf etwas hinlebt oder nur vor sich herlebt. Das Ziel eines „Neuen Jerusalem“ vor Augen zu haben, verändert den Blick auf die Jetztzeit. So gesehen ist es neben Verständnishilfe auch eine praktische Hoffnungshilfe, die mein Buch in gerade dieser Zeit zu leisten versucht. Oder besser gesagt: Mein Buch versucht zu dem einen großen Hoffnungsbuch, das die Bibel ist, hinzuführen.

Lektor: Hilft Ihnen denn die Bibel auch persönlich in Ihrem Glaubensleben?

Robert Mucha: Absolut. Aber nicht im Sinne eines esoterischen Zauberbuchs, das man aufschlägt, einige Verse murmelt und dann irgendwie verwandelt ist, sondern eher in der Hinsicht, dass ich zwischen den Zeilen tiefe Wahrheit erkenne und einen realistisch-gelassenen Blick auf das Menschsein und seine Schwächen. Mit den Psalmen kann man loben und fluchen – und so gibt es immer den richtigen Stimmungstext, aus dem ich Gedanken schöpfen kann für das Heute, in dem ich mich gerade befinde. Dazu braucht es auch keine Kenntnisse des Hebräischen oder Griechischen, obwohl ich die Texte auch einmal ganz gern im Original betrachte. Im letzten ist der Sinn das entscheidende und inspirierte.

Lektor: Wie prägte die Johannesapokalypse Ihr Gottesbild?

Robert Mucha: Die Erfahrung, dass Gott der Schweigende auf dem Thron ist, der nichts unternimmt bei allem Leid, ist eine Erfahrung, die Menschen tagtäglich machen. Er erscheint ihnen als „lahme Ente“: er verspricht viel und hält nichts ein. Was mich unwahrscheinlich persönlich berührt, sind die ersten Worte, die Gott selbst in der Johannesapokalypse ganz zum Ende hin spricht: Siehe, ich mache alles neu! – Diese Botschaft öffnet uns eine neue Dimension und schenkt uns in der bittersten Stunde Hoffnung. Darauf zu vertrauen, dass ER alles neu schaffen kann, hilft uns in den Niederungen unserer tristen Existenz und erhebt uns.

Lektor: Das ist in der Tat eine große Frohbotschaft. Aber momentan ist es ja eher so, dass die Kirche unter ganz anderen Dingen leidet: ungelöste Frauenfrage, sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker …

Robert Mucha: … geistiger Missbrauch, fragliche Haltungen zu homosexuell Liebenden. In der Tat, das ist so und eine große Hypothek für diese Frohbotschaft. Bei all dem stelle ich in Gesprächen aber gerade auch dann bewusst die Bibel mit ihrer Botschaft der Erlösung durch Jesus von Nazareth in den Mittelpunkt. Ich entwickle Theologie von ihm her und auch Kirche als Grundsakrament der Liebe Gottes sollte sich bewusst sein, dass es nicht darum geht „Nein“ zum Menschen zu sagen, sondern den Menschen mit einem unbedingten „Ja“ groß zu machen. Das tat Jesus und das möchte auch ich in Vorträgen, Büchern und möglichst in meinem gesamten Sein zum Ausdruck bringen – und dabei mache ich natürlich Fehler. Diese aber offen zu benennen und Wunden zu heilen und nicht immer neu aufzureißen, sollte die Kirche sich auch selbst immer wieder zusagen.

Lektor: Abschließend wollte ich Sie eigentlich nach Ihrem Lieblingsbuch fragen, aber ich kann mir denken, dass das die Bibel ist, oder?

Robert Mucha: (lacht) Die Bibel läuft für mich ja irgendwie außer Konkurrenz. Leider komme ich kaum dazu Romane zu lesen, sondern lese eher, aber auch gerne, philosophische, theologische und sozialwissenschaftliche Sachbücher. Was mich immer wieder von neuem umhaut ist der „Grundkurs des Glaubens“ von Karl Rahner und auf meinem Nachttisch liegt gerade das Buch „Homo Deus“ von Yuval Harari. Vielleicht komme ich bald endlich dazu, da reinzulesen ...

Lektor: Lieber Herr Dr. Mucha, vielen Dank für das Gespräch!


Die Apokalypse des Johannes aus dem Neuen Testament der Bibel ist aktueller denn je. Was für die Leser der Offenbarung des Johannes vor 2000 Jahren verständlich war, ist für heutige Menschen zu einem schwierigen und unverständlichen Text geworden.
Robert Mucha gibt durch seine zeitgeschichtliche Interpertation einen anschaulichen Einblick in dieses faszinierende Buch der Bibel und zeigt, wie man apokalyptische Texte entschlüsseln kann.